Feuerbach – Nietzsche & Wagner


Helmut Walther
Prof. Dr. W. Schuffenhauer
Nietzsche       /      Wagner
Wagner und Feuerbach

english: Bourgeois and Visionaries

Weitere vergleichende Arbeiten zu Feuerbach (Autor H. Walther):
Die Ethik bei Schopenhauer und Feuerbach
Die Wiederentdeckung der Sinnlichkeit bei Nietzsche und Feuerbach


Werner Schuffenhauer über Feuerbach und Nietzsche, Schopenhauer und Marx im ORF
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Biedermann und Visionäre –

Feuerbach und Nietzsche

 

 

Obwohl von mehrfacher Seite betont wird, daß Nietzsche mit Feuerbachs Schriften vertraut war, finden sich in seinen eigenen Werken und auch in den verschiedenen Biografien zu Nietzsche nur sehr spärliche Hinweise darauf; eine Ausnahme macht C. A. Bernoulli in seiner Doppelbiografie, der sich dem eigentlich naheliegenden Thema etwas breiter widmet. Berührungspunkte sollten insbesondere zwischen dem Sensualismus Feuerbachs und der unbedingten Diesseitswendung Nietzsches einerseits, sowie der psychologischen Kritik der Religion und insbesondere des Christentums andererseits gegeben sein. Vergleichbar ist weiterhin die "aphoristische Arbeitsweise" beider Philosophen, wenn wohl auch Feuerbach sich mit der artistischen Sprachbehandlung Nietzsches nicht messen kann. Weit auseinander liegen sie aber sicherlich in der Analyse des menschlichen Daseins und dessen Ziel: argumentiert Feuerbach mit dem "Ich und Du" und der Liebe, also mit dem leibhaften und sinnlichen Menschen, steht bei Nietzsche der "geniale Einzelne" und der "Wille zur Macht" im Vordergrund: der Übermensch. Möchte Feuerbach über politisches Bewußtsein und Demokratie die Menschen insgesamt heben, setzt dem Nietzsche eine "aristokratische Ordnung" und Befehl und Gehorsam gegenüber. Bei solch gravierenden Unterschieden kann man sicherlich nicht von einer Beeinflussung Nietzsches durch Feuerbach sprechen, aber ganz allgemein wird sich Nietzsche der Wirkung der zunächst revolutionären Feuerbachschen Gedanken – wie dies ja etwa Engels ausspricht – nicht entzogen haben. Dies möchte ich an einigen direkten und indirekten Zitaten aus der mir zugänglichen Literatur zeigen.

In der Biografie von Curt Paul Janz, Friedrich Nietzsche, 3 Bd., Carl Hanser Verlag 1978 können wir in Bd. I, S. 23 nachlesen, daß Nietzsche schon sehr früh, nämlich siebzehnjährig, mit dem Werk Feuerbachs vertraut war: "1861 war er mit Ludwig Feuerbachs Schriften bekannt geworden; 'Wesen des Christenthums' und 'Gedanken über Tod und Unsterblichkeit' erscheinen sogar auf dem Wunschzettel zum Geburtstag."

Ausführlich setzt sich Carl Albrecht Bernoulli, Franz Overbeck und Friedrich Nietzsche, verlegt bei Eugen Diederichs Jena 1908 mit dem Verhältnis Nietzsche/Feuerbach auseinander:

Bd. I, S. 146: "Der beste Pfadfinder durch das Labyrinth von Nietzsches philosophischen Voraussetzungen bildet für uns jenes Buch, von dem er sich, wie wir sahen, wie von keinem andern, selber hat führen lassen. In jener ersten Ausgabe von F. A. Langes 'Geschichte des Materialismus', die er unter seinen Büchern besaß und später seinem Freund Romundt geschenkt hat, haben besonders jene paar Seiten 285 bis 292 eine sichtbare Spur in seinem Schaffen hinterlassen, wo nämlich Lange sich darüber äußert, wer nach seiner Meinung dem neueren Materialismus am nachhaltigsten zum Weiterleben verholfen habe: dabei kommt er auf Ludwig Feuerbach zu sprechen und dann noch auf Max Stirner. Man lese nun vor allen Dingen jene Zusammenstellung Feuerbachscher Aphorismen bei Lange S. 286 aus der 1849 erschienenen 'Philosophie der Zukunft': ‚Wahrheit, Wirklichkeit und Sinnlichkeit sind identisch. Nur ein sinnliches Wesen ist ein wahres, ein wirkliches Wesen, nur die Sinnlichkeit Wahrheit und Wirklichkeit.' 'Nur durch die Sinne wird ein Gegenstand im wahren Sinn gegeben – nicht durch das Denken für sich selbst.' 'Wo kein Sinn ist, ist kein Wesen, kein wirklicher Gegenstand.' – Wenn die alte Philosophie zu ihrem Ausgangspunkt den Satz hatte: Ich bin ein abstraktes denkendes Wesen; so beginnt dagegen die neue Philosophie mit dem Satze: ‚Ich bin ein wirkliches, ein sinnliches Wesen: der Leib gehört zu meinem Wesen selber.' – 'Wahr und göttlich ist nur, was keines Beweises bedarf, was unmittelbar durch sich selbst gewiß ist, unmittelbar für sich selbst spricht und einnimmt, unmittelbar die Affirmation, daß es ist, nach sich zieht – das schlechthin Entschiedene, schlechthin Unzweifelhafte, das Sonnenklare. Aber sonnenklar ist nur das Sinnliche; nur wo die Sinnlichkeit anfängt, hört aller Zweifel und Streit auf. Das Geheimnis des unmittelbaren Wissens ist die Sinnlichkeit.' ... 'Wir fühlen nicht nur Steine und Hölzer, nicht nur Fleisch und Knochen, wir fühlen auch Gefühle, indem wir die Hände oder Lippen eines fühlenden Wesens drücken; wir vernehmen durch Ohren nicht nur das Rauschen des Wassers und das Säuseln der Blätter, sondern auch die seelenvolle Stimme der Liebe und Weisheit; wir sehen nicht nur Spiegelflächen und Farbengespenster, wir blicken auch in den Blick des Menschen. Nicht nur Äußerliches also, auch Innerliches, nicht nur Fleisch, auch Geist, nicht nur das Ding, auch das Ich ist Gegenstand der Sinne.– Alles ist darum sinnlich wahrnehmbar, wenn auch nicht unmittelbar, so doch mittelbar, wenn auch nicht mit den pöbelhaften, rohen, doch mit den gebildeten Sinnen, wenn auch nicht mit den Augen des Anatomen und Chemikers, doch mit den Augen des Philosophen.'

Dennoch verbietet gerade die Lektüre des Langeschen Buches, die Grundgedanken bei Nietzsche auf Feuerbachsche Anregungen zurückzuführen; denn Feuerbach ist den individualistischen Ansätzen, die man in ihm finden mag, nicht nachgegangen. Er hat den Begriff des Seins sogar aus der Liebe abgeleitet, er hat den Tuismus erfunden! – sagt Lange (S. 291); man darf sich dadurch, daß Feuerbach in den theoretischen Egoismus zurückfiel, ... nicht irreführen lassen: wäre er sich selbst treu geblieben, er hätte die ganze menschliche Sittlichkeit und das höhere Geistesleben auf Anerkennung des andern gegründet. (S. 292.) Wenn Nietzsche bei Lange sperrgedruckt das Feuerbachsche Zitat las: ‚Einsamkeit ist Endlichkeit und Beschränktheit, Gemeinschaftlichkeit ist Freiheit und Unendlichkeit' – so mußte ihm eine innere Stimme sagen: mit Feuerbach habe ich trotz allem nichts zu schaffen....: 'Ehre Preis, Lob und Dank der Einsamkeit, die uns selbst und unsere Freunde erhält.'" (an Rohde, Briefe II, 179)

Nicht uninteressant ist in diesem Zusammenhang sicherlich, daß es auch persönliche Berührungen zwischen der Familie Feuerbachs und Nietzsche gegeben hat: aaO, Bd. I, S. 235 (Erinnerungen Ida Overbeck – frühe 70-er Jahre) beschreibt diese die Wirkung Nietzsches auf ihr selbst persönlich bekannte Menschen, so etwa "...an Frau Henriette Feuerbach, der er während eines Basler Aufenthalts Nietzsche vorgestellt worden war und die in ihm sogleich die bedeutende Persönlichkeit gesehen."

Nietzsche selbst gedenkt Henriette Feuerbachs in seinem Brief an Rohde vom 7.12.1872 (Fr. Nietzsches Briefwechsel mit E. Rohde, hg. von E. Förster-Nietzsche u. Fr. Scholl, Insel Verlag Leipzig, S. 376): "Ich kenne dort [Heidelberg] nur einen Menschen und das ist ein Weib, aber ein sehr gutes: die Mutter des Malers Feuerbach. Ich werde, da ich ihr eben zu schreiben habe ..., Deine Schrift [wohl Rohdes 'Afterphilologie', die Verteidigung der 'Geburt der Tradödie' gegen Wilamowitz‘ 'Zukunftsphilologie'] mitschicken."

Leopold Zahn teilt in seiner Nietzsche-Biographie (Friedrich Nietzsche, Eine Lebenschronik, Droste-Verlag Düsseldorf 1950, S. 209) einen Ausspruch Henriette Feuerbachs mit: "'Der Parsifal ist eine religiöse Tat, eine Sündererlösung, die Wagner für sich selbst nach seinem oft so unerquicklichen und ungezügelten Leben nötig gehabt habe.' Rohde, dem Frau Professor Ribbeck diesen Ausspruch mitteilte, bemerkte: 'Das war eben der Gegensatz zwischen Wagner und Nietzsche. Nietzsche hatte gar keine Veranlassung, sich nach Erlösung zu sehnen; ich wüßte auch nicht von was, er war ja unglaubwürdig gut.'" (Zahns Quelle dürfte E. Förster-Nietzsches Biographie "Der einsame Nietzsche", A. Kröner Verlag 1925, S. 17 sein, wo dies in seinem Zusammenhang mitgeteilt wird.)

Bernoulli Bd. I, S. 239 (Erinnerungen Ida Overbeck): "Auch Ludwig Feuerbachsche Gedanken trug Nietzsche damals [zweite Hälfte der 70-er Jahre] vor. Er verübelte Richard Wagner, sich von Feuerbach zu Schopenhauer bekehrt zu haben. Nicht als ob er selbst den umgekehrten Prozeß durchgemacht hätte; denn Feuerbach hatte längst, vielleicht schon vor Schopenhauer, auf ihn gewirkt. Man lese den 'Gottesbegriff als Gattungswesen des Menschen' und anderes; man wird, diese Aufsätze in Nietzsches Geist auffassend, begreifen, was deren Denkungsart seinem Übermenschen gegeben hat. Hier, mehr als aus aller naturwissenschaftlichen Begründung, sog dieser Nietzschesche Zentralgedanke seine Nahrung."

Wenn Ida Overbeck im letzten Punkt auch sicherlich nicht zuzustimmen ist – nach Nietzsche ist der Mensch dem Übermenschen ein ebensolches Gelächter wie ersterem der Affe –, so lassen sich doch sicher Parallelen in der unbedingten Lebens-Zugewandtheit beider Philosophen feststellen. Und daß die Umwendung Wagners von Feuerbach zu Schopenhauer sicherlich einer der tieferen Gründe für das Zerwürfnis zwischen Wagner und Nietzsche war, werden einige der folgenden Zitate zeigen.

 

Feuerbach und Wagner

 

 

Wagners erste Bekanntschaft mit Feuerbach könnte nach Martin Gregor-Dellin (Richard Wagner, Piper Verlag München 1980, S. 166) bereits in die Jahre 1841/1842 fallen (1841 erschien das "Wesen des Christentums") - und daß dadurch bei Wagner "... die Vorstellung vom Götterende und einer Diesseits-Religion der Menschenliebe" bewirkt wurde.

Nach Wagners eigener Erinnerung (Gregor-Dellin, S. 202) war es ein "deutsch-katholischer Prediger namens Metzdorf",der ihn im "Gespräch auf die Werke und Gedanken Ludwig Feuerbachs aufmerksam machte "(1843).

Sicher scheint wiederum nach Gregor-Dellin (S. 286) zu sein, daß er 1849 nach der Flucht aus Dresden Feuerbachs "Gedanken zu Tod und Unsterblichkeit" gelesen hat, wobei ihn "die sozial-radikale Grundhaltung dieser Schrift wie der entschiedene Atheismus" tief beeindruckte.

Seine pamphletartigen Äußerungen anläßlich der Dresdner Revolution zeigten dies ja bereits; so erschien am 8. April 1849 anonym in den "Volksblättern" der Artikel "Die Revolution" (s. R. Wagner, Ausgewählte Schriften, hg. v. D. Mack, Insel Verl. Frankfurt/M., TB 66, 1. Aufl. 1974, S. 114 ff.); er endet folgendermaßen (S. 122): "... mit dem himmelerschütternden Rufe: 'Ich bin ein Mensch! stürzen sich die Millionen, die lebendige Revolution, der Mensch gewordene Gott, hinab in die Täler und Ebenen und verkünden der ganzen Welt das neue Evangelium des Glückes!"

Bezeichnend ist auch der (zunächst unveröffentlichte) Entwurf "Künstlertum der Zukunft" von 1849 (aaO S. 123 ff.), aus dem die folgenden Zitate stammen: "Das durch Naturnotwendigkeit zur sinnlich dargestellten Gewißheit Gelangte kann uns erst Gegenstand sein, an ihm erst tritt das Bewußtsein ein; nur das Fertige weiß ich, nur was meinen Sinnen sich darstellt, darüber bin ich gewiß: an ihm auch nur wird mir das Wesen deutlich, ich kann es erfassen, mich seiner bemächtigen und als Kunstwerk es mir darstellen. Das Kunstwerk ist somit der Schluß, das Ende, die vollste Vergewisserung des mir bewußt gewordenen Wesens." (S. 126)

"Nur das Sinnliche ist auch sinnig: das Unsinnliche ist auch unsinnig. Das Sinnige ist die Vollkommenheit des Sinnlichen; – das Unsinnige der wahre Gehalt des Unsinnlichen." (S. 129) Das ist ganz offensichtlich reinster Feuerbach.

So steht dann auch Wagners nächste veröffentlichte Schrift ganz in diesem Geiste, vor allem mit dem Grundgedanken, daß "die vornehmsten Eigenschaften des Menschen mit dem Schicksal des Volkes als Ganzem" zusammenhängen (Guy de Pourtales, Richard Wagner, Verl. Th. Knaur Nachf. Berlin, 1933, S. 237). "Das Kunstwerk der Zukunft ist ein gemeinsames, und nur aus einem gemeinsamen Verlangen kann es hervorgehen." (S. 239) Dieses Zitat stammt aus der anschließend in Zürich geschriebenen Schrift "Das Kunstwerk der Zukunft" (November 1849), das Wagner niemand anderem als Ludwig Feuerbach gewidmet hat (s.a. R. Gutmann, Richard Wagner, Piper & Co Verl. München, 1970).
Gregor-Dellin S. 292: Wagner sei zur Überzeugung gekommen, "Feuerbach sei der Repräsentant der 'radikalen Befreiung des Individuums vom Drucke hemmender, dem Autoritätsglauben angehörender Vorstellungen.' Daher widmete er seine nächste Schrift, "Das Kunstwerk der Zukunft", mit einem Brief vom 21. November dem einsamen Philosophen im Dorfe Bruckberg bei Nürnberg, der längst auf alle weltlichen Ehren verzichtet hatte. Feuerbach antwortete herzlich und ein bißchen kurz, er habe das Buch mit Entzücken gelesen und verstehe nicht, wie man darüber geteilter Meinung sein könne."

Aus dieser Geisteshaltung stammt auch der Entwurf Wagners "Jesus von Nazareth" (s. dazu "Wagners Werk und Wirkung", Festspielnachrichten, Beiträge 1957-1982, S. 37-39 von W. Bronnenmeyer), dessen philosophischer Gehalt darauf hinausläuft, "daß Wagner Christus als den Propheten einer künftigen Gesellschaft, als die Inkarnation der idealen Menschheit darstellen wollte, der die Besserung durch Liebe predigt." (S. 38): "'... nun bringe ich den Menschen wieder zu sich selbst, dadurch, daß er Gott in sich erkennt, und nicht außer sich: Gott aber ist das Gesetz der Liebe, und so wir es recht wissen und darnach wandeln, wie jedes Geschöpf darnach wandelt, ohne es zu wissen, sind wir Gott selbst: denn Gott ist das Wissen von sich.'" (S.39): "Vom Revolutionsgedanken hatte sich Wagner mehr oder minder berauschen lassen. Es ist nicht mehr als Euphorie, wenn er die Revolution als eine erhabene Göttin beschreibt, die auf den Flügeln der Stürme dahergebraust komme. Vom höchsten Idealismus beseelt, wollte er die Menschheit umgestalten helfen. 'Jesus von Nazareth' enthält diese Gedanken, ist erfüllt von utopischer Phantasie, die mit dem Zweckhandeln für einen gesellschaftlichen Umsturz nichts zu tun hat. Als dieser Geist sich abkühlte und reale Einsichten zurückkehrten, war in Wagners Denken kein Platz mehr für Feuerbach. Der Pessimismus Schopenhauers bestimmte die neue Richtung."

Allerdings hat, nach Gregor-Dellin (S. 350) Wagner Ludwig Feuerbach im Jahre 1851 sogar in die Schweiz eingeladen (typisch Wagner, man denke nur an seine ständige Geldnot!), "...zu ihm in die Schweiz zu übersiedeln,"... um im "politisch desolaten Mitteleuropa alle Kräfte des Neuen an einem Punkt zu versammeln." (Was dieser allerdings ablehnte.) Ende dieses Jahres hob Wagner unter dem Eindruck Feuerbachs gar das Weihnachtsfest auf und feierte die Bescherung an Silvester. (Gregor-Dellin S. 861)

Bei Janz, aaO, Bd. II S. 99 spricht Wagner beiläufig diese Wandlung aus: "'...man könne irrtümliche Neigungen aufgeben, wie z.B. ich die meinige für Feuerbach, aber doch nicht sie beschimpfen' (21. Febr. 1880)"

Bernoulli, aaO, Bd. I, S. 104 zitiert einen Brief Wagners an Liszt: "'Auch ich glaube an ein Jenseits – liegt es auch über mein Leben hinaus, so liegt aber doch nichts über das hinaus, was ich empfinden, denken, fassen und begreifen kann, denn ich glaube an die Menschen und – bedarf nichts weiter.'" Bernoullis Kommentar dazu: "Das ist natürlich noch aus der Feuerbachschen Zeit Wagners, und klang mindestens sehr verschieden, als Wagner ein blinder Schüler Schopenhauers geworden war." "...allwo es [das Christentum] sich ihm aus der humanen Feuerbachschen Religion in einen pessimistischen Buddhismus verwandelte ..." (S. 105)

Diesen Wandel schildert Nietzsche selbst im "Fall Wagner", Nr. 4 (nach Peter Gasts Inhaltszusammenstellung in "Der einsame Nietzsche", E. Förster-Nietzsche, A. Kröner-Verlag 1925, S. 471, wird hier die Abwendung des "ursprünglich Feuerbachschen Sensualisten" hin zum "romantischen Pessimismus" gezeigt): "...Siegfried und Brünnhilde; das Sakrament der freien Liebe; der Aufgang des goldnen Zeitalters; die Götterdämmerung der alten Moral – das Übel ist abgeschafft ... Wagners Schiff lief lange Zeit lustig auf dieser Bahn. Kein Zweifel, Wagner suchte auf ihr sein höchstes Ziel. – Was geschah? Ein Unglück. Das Schiff fuhr auf ein Riff; Wagner saß fest. Das Riff war die Schopenhauersche Philosophie; Wagner saß auf einer konträren Weltansicht fest [eben der Feuerbachschen!]. Was hatte er in Musik gesetzt? Den Optimismus. Wagner schämte sich. Noch dazu einen Optimismus, für den Schopenhauer ein böses Beiwort geschaffen hatte – den ruchlosen Optimismus. Er schämte sich noch einmal. Er besann sich lange, seine Lage schien verzweifelt ... Endlich dämmerte ihm ein Ausweg: das Riff, an dem er scheiterte, wie? wenn er es als Ziel, als Hinterabsicht, als eigentlichen Sinn seiner Reise interpretierte? Hier zu scheitern – das war auch ein Ziel. Bene navigavi, cum naufragium feci ... Und er übersetzte den »Ring« ins Schopenhauersche. Alles läuft schief, alles geht zugrunde, die neue Welt ist so schlimm wie die alte – das Nichts, die indische Circe winkt ... Brünnhilde, die nach der ältern Absicht sich mit einem Liede zu Ehren der freien Liebe zu verabschieden hatte, die Welt auf eine sozialistische Utopie vertröstend, mit der »alles gut wird«, bekommt jetzt etwas anderes zu tun. Sie muß erst Schopenhauer studieren; sie muß das vierte Buch der »Welt als Wille und Vorstellung« in Verse bringen. Wagner war erlöst ... Allen Ernstes, dies war eine Erlösung. Die Wohltat, die Wagner Schopenhauer verdankt, ist unermeßlich. Erst der Philosoph der décadence gab dem Künstler der décadence s i c h S e 1 b s t – – "

Noch deutlicher spricht sich Nietzsche dazu – damit gleichzeitig seine Einschätzung Feuerbachs abgebend – in der Genealogie der Moral, 3. Abhandlung "Was bedeuten asketische Ideale?", Nr. 3 aus: "...Man erinnere sich, wie begeistert seinerzeit Wagner in den Fußtapfen des Philosophen Feuerbach gegangen ist: Feuerbachs Wort von der 'gesunden Sinnlichkeit' – das klang in den dreißiger und vierziger Jahren Wagner gleich vielen Deutschen (– sie nannten sich die 'jungen Deutschen') wie das Wort der Erlösung. Hat er schließlich darüber umgelernt? Da es zum mindesten scheint, daß er zuletzt den Willen hatte, darüber umzulehren ... Und nicht nur mit Parsifal-Posaunen von der Bühne herab..."

In Wagners Worten (Gregor-Dellin S. 743): "'Nicht das Licht, welches von außen die Welt beleuchtet, ist Gott, sondern das Licht, welches wir aus unserem Inneren auf sie werfen: d. i. Erkenntnis durch Mitgefühl.' Eine verschämte Mixtur aus Feuerbach und Schopenhauer." - ausgerechnet von dem Hedonisten Wagner.

Lassen wir es Hans Mayer (Richard Wagner in Bayreuth, Suhrkamp TB 480, 1978, S. 168) zusammenfassen in Bezug auf Wagners bedeutendstes Werk, den "Ring": "Zerstörung im Dienst eines neuen Naturzustandes. Das war Rousseau plus Bakunin plus Ludwig Feuerbachs Vision vom neuen – nachrevolutionären – Menschen."

Gegenüber der Genialität eines Wagner einerseits und der eines Nietzsche andererseits mag die Philosophie Feuerbachs sowohl in ihrem Gehalt wie auch in ihrer Form vielleicht als "bieder" erscheinen – aber sieht man auf die Denkungsart des modernen, heutigen Menschen, so erscheinen uns die Aussagen der beiden Genies sicherlich als "Höhenflüge", aber auch fern von unserer Realität; sie bieten uns Kunst (manchmal gar Künstlichkeit) und sicher zuletzt Metaphysik. Von dieser Perspektive aus erscheint dann die etwas bescheidenere Erdenschwere Feuerbachs durchaus als sympathisch, oder wie es Karl Löwith ausdrückt (Von Hegel zu Nietzsche, W. Kohlhammer Verlag Stuttgart, [1941] 4. Aufl. 1958 S. 96):

"Auf Hegels Freundschaft mit Goethe folgt das »Idyll« zwischen »Ludwig« (Feuerbach) und »Konrad« (Deubler), dessen biedere Verehrung des »großen Mannes« dem im Grunde so harmlosen Gemüte Feuerbachs durchaus gemäß war. Und doch wäre es ein großer Irrtum zu meinen, man könnte auf dem hohen Roß einer verstorbenen Philosophie des Geistes über den »Materialismus« des 19. Jahrhunderts hinwegsetzen. Feuerbachs Versinnlichung und Verendlichung von Hegels philosophischer Theologie ist schlechthin zum Standpunkt der Zeit geworden, auf dem wir nun alle – bewußt oder unbewußt – stehen."


Den Abschluß dieser Überlegungen soll ein Zitat von Carl Dahlhaus bilden (s. Gregor-Dellin, S. 330), das so merk-würdig wie bedenkenswert ist:
"Wagners Auseinandersetzung mit der 'absoluten Musik' Beethovens ist ein genaues Analogon zu Feuerbachs Auseinandersetzung mit der 'absoluten Philosophie'."


Textgestaltung: Helmut Walther

Einen weiteren Text zum Verhältnis von Ludwig Feuerbach und Richard Wagner finden Sie auf dieser Seite: Feuerbach - Wagner und "Das Kunstwerk der Zukunft".


Den folgenden Artikel stellte uns Professor Dr. Werner Schuffenhauer zur Verfügung:

Wagner und Feuerbach

Zur Zeit der Vorbereitung seiner Pariser "Tannhäuser"-Aufführung, in deren Dienst auch die aufsehenerregenden drei Konzerte im Pariser Italienischen Theater (Januar/Februar 1860) standen, wendet sich Richard Wagner in einem Brief an Hector Berlioz vom Februar 1860 gegen die vor dem Pariser Publikum verbreitete Auffassung, er sei Begründer einer "musique de l‘avenir". Im September 1860 polemisiert er in dem apostrophiert "Zukunftsmusik" betitelten Essay (Vorwort zu einer Prosa-Übersetzung seiner Operndichtungen für das französische Publikum) erneut gegen den Widersinn einer derartigen Charakterisierung und versucht, die eigentlichen Intentionen seines musikdramatischen Schaffens näher zu verdeutlichen. Er kann dabei nicht umhin, auf seine kunsttheoretischen Schriften aus der Zeit seines Züricher Exils eingehend Bezug zu nehmen. Dabei war vor allem zu der Schrift "Das Kunstwerk der Zukunft" von 1850 Stellung zu nehmen, denn sie vor allem gab den Anlaß, seine künstlerischen Bestrebungen im Zusammenhang mit der Aufrechnung seiner "revolutionär-anarchistischen" Sünden in den Revolutionsjahren 1848/49 als königlich-sächsischer Hofkapellmeister unter dem genannten Etikett als destruktiv-neuerungssüchtig zu inkriminieren.

Auch wenn Wagner in der ihm eigenen Art, großzügig mit seiner Vergangenheit umzugehen, auch wenn die Etablierung seiner Werke auf den großen Bühnen Europas und namentlich in seinem unter konservativer Vorherrschaft restaurierten Heimatlande, in dem er steckbrieflich verfolgter Achtundvierziger war, zur Disposition stand, suchte er z. B. gegenüber H. Berlioz sein einstiges revolutionäres Engagement (als aus der Sorge um die Erhaltung und den Geist öffentlicher Kunstinstitute im Falle eines vollständigen Sieges der sozialen Revolution geboren) zu bemänteln. – Was er aber um 1860/61 über seine künstlerische Programmatik unter Bezug auf "Das Kunstwerk der Zukunft" und auf "Oper und Drama" (1851) theoretisch vermittelt, vermag deren geistigem Ursprung in den progressiven Traditionen des deutschen Vormärz und des bürgerlich-demokratischen Aufbruchs der Revolutionsjahre nicht zu überdecken. Kunsttheoretisch und weltanschaulich-philosophisch ist dies insofern relevant, als Wagner ja bekanntlich bereits um die Mitte der 50er Jahre, zum Ausgang seiner Züricher Exilzeit, den Übergang zur Schopenhauer-Anhängerschaft vollzogen hatte.

Sein in der Pariser Zeit vorgestelltes kunsttheoretisches Konzept ist das im Wesen unveränderte der Züricher Exiljahre. Und dies bildete den Versuch einer Synthese von frühromantischen, jungdeutschen Einflüssen auf dem Gebiet der Kunst und Kulturkritik und von in Paris (1841-42) aufgegriffener Sozialkritik mit den Resultaten seiner philosophischen Studien. Philosophisch war der einstige "Studiosus philosophiae et musicae" der Leipziger Universität, unbefriedigt gelassen von der dort gelehrten "Fundamentalphilosophie" und Logik, über selbständige Schelling- und Hegelstudien zu schließlich begeisterter Aufnahme Feuerbachscher Religions- und Philosophiekritik und zu dessen demokratisch und anthropologisch-materialistisch intendiertem Humanismus vorgedrungen. Und auf dem namentlich durch Feuerbach bereiteten Boden ruhen philosophisch seine Revolutions- und seine kunsttheoretischen Schriften der Jahre 1848 bis 1852, unter denen vor allem, neben dem "Kunstwerk der Zukunft" und "Oper und Drama" als Hauptschriften dieser Periode, hervorzuheben sind: "Die Kunst und die Revolution" (1849), "Kunst und Klima" (1850) und seine "Mitteilung an meine Freunde" (1851).

Das erneut 1860/61 dargestellte kunsttheoretische Konzept läßt sich – verkürzt – folgendermaßen beschreiben: Aus kritischer Sicht des höfisch-verzerrten, provinziellen und kapitalisierten Kunstbetriebs, namentlich im Operngenre, der sich nach eigenen Erfahrungen Wagners oft jeglichen, von künstlerischem Gewissen bestimmten Reformplänen verschloß, resultierte ebensowohl seine Fragestellung nach der Beziehung von Kunst und Leben, von Kunst und gesellschaftlicher Ordnung, wie die Frage nach den Wechselbeziehungen von Form und Inhalt und nach der Funktion der Kunst überhaupt. Hier boten ihm die Resultate der klassischen deutschen bürgerlichen Philosophie, die ihm vor allem in Feuerbachs Interpretation aufgingen, wesentliche Anhaltspunkte. Einerseits formuliert Wagner ("Das Kunstwerk der Zukunft") mit Feuerbach: "...wie der Mensch nur frei wird, wenn er sich seines Zusammenhangs mit der Natur freudig bewußt wird, so wird die Kunst nur frei, wenn sie sich ihres Zusammenhangs mit dem Leben nicht mehr zu scheuen hat. Nur im freudigen Bewußtsein seines Zusammenhangs mit der Natur überwindet der Mensch aber seine Abhängigkeit von ihr, ihre Abhängigkeit vom Leben überwindet die Kunst aber nur im Zusammenhang mit dem Leben wahrhafter, freier Menschen." Oder (" Kunst und Klima"): "Kunst ist die höchste gemeinschaftliche Lebensäußerung des Menschen." Und nicht eher sei "Hoffnung, Mut und zuversichtlicher Glaube an die Zukunft" zu fassen, als bis sich die Uberzeugung durchsetze, daß die Menschen gerade nur "so zu sein brauchen, wie sie ihrer Natur nach sein können und deshalb sein wollen und – werden. Nicht Engel, sondern eben Menschen!", weshalb die Grundbedingungen der Kunst, (das ihr notwendige "Klima" nichts anderes sein könne, als "Das wirkliche – nicht eingebildete – Wesen der menschlichen Gattung." – Sätze, die sich folgerichtig unmittelbar aus Feuerbachs "Wesen des Christentums", aus seinen philosophiekritischen Programmschriften, wie "Vorläufige Thesen zur Reformation der Philosophie" und "Grundsätze der Philosophie der Zukunft" (von 1842/43) – letztere Schrift hat möglicherweise Wagner bewogen, der "Philosophie der Zukunft" das "Kunstwerk der Zukunft" an die Seite zu stellen –, ableiten lassen.

Andererseits boten zahlreiche, bislang noch immer wenig gewürdigte kunsttheoretische Ausblicke Feuerbachscher Schriften zweifellos Möglichkeiten, in den Fragen des Selbstverständnisses künstlerischer Tätigkeit als subjektiv-schöpferischer Auseinandersetzung mit der Wirklichkeit als "Offenbarung" des menschlichen Wesens, voranzukommen. Insbesondere, was Wagners Polemik gegen den Irrtum in dem Kunstgenre der Oper (in "Oper und Drama") betrifft, nämlich, "Da ein Mittel des Ausdrucks (die Musik) zum Zwecke, der Zweck des Ausdrucks (das Drama) aber zum Mittel gemacht war", was zugleich die dramaturgische Frage der Einheit des Raumes und der Zeit oder ("Eine Mitteilung an meine Freunde") seine Kritik an der Idee eines absoluten Kunstwerks anbetrifft, so vermochte Feuerbachs Kritik der klassisch-idealistischen Hegelschen Auffassung von der bloßen Formbestimmtheit der Kunst, – sie ist für Feuerbach nicht nur Ausdrucksmittel, sondern Mittel der Widerspiegelung und Aneignung der Wirklichkeit bei besonderer Betonung ihres sinnlichen Charakters, – weiterführende Impulse zu verleihen. Ebenso vermochten Feuerbachs religionskritische Positionen, die gegen Hegel gewandt auch dessen Auffassung vom "Ende der Kunst" tangierten, zweifellos tief zu beeinflussen.

Das Oper und Drama näher betreffende Konzept Wagners zielte auf Wiedervereinigung, auf echtes Aufeinander-Bezogensein aller hier relevanten Kunstgattungen – Dichtkunst, Musik, Schauspielkunst, Tanz (Ballett), Bühnenarchitektur und -gestaltung, – auf deren Einheit im Dienste der tragenden dramatischen Idee, wodurch auch die Kunst der Dramaturgie einen neuen Stellenwert erlangte.

Vorbild war ihm hier das altgriechische Drama, das auf der Einheit der gegebenen Kunstformen beruhte und "Allgemein-menschliches" vergegenständlichte. In der dramatischen Dichtkunst setzte er sich Shakespeare und im sinfonischen Schaffen Beethoven zum Maßstab. Aus der verlorengegangenen Einheit, der verselbständigten Perfektion der einzelnen Kunstgattungen, sollte eine neue, höhere Einheit im Kunstwerk der Zukunft entstehen. Derartige Bilder von der Restituierung im Geschichtsprozeß verlorengegangener Einheit als reale Ausdeutung des Hegelsehen Gedankens von der Negation der Negation begegnen bei Feuerbach. Dem Zug der Zeit entsprechend sollte das Drama seinen Stoff weniger aus dem einzelnen historischen Geschehen oder aus sogenannten Alltagsschicksalen schöpfen, sondern aus der Welt der Mythologie, – auch Feuerbach enträtselte mythologische Bilder und Zusammenhänge im Blick auf Erkenntnis konkreter menschlicher Lebenszusammenhänge, – die gewissermaßen urbildlich Gattungs-, d. h. menschlich-gesellschaftliche Konflikte in allgemeinster Form vermittelt und es objektiv möglich macht, sowohl antifeudale als auch schon antikapitalistische Kritik zu artikulieren. Die dramatische Oper, die das Publikum durch den Einsatz aller Kunstformen im höchsten Grade emotional zu bewegen und zu erregen vermag, war als höchstes Kunsterlebnis berufen, ein bildendes nationales Institut zu sein, ein "Weihespiel" (nahezu im Sinne Feuerbachscher neuer, humanistischer "Religiosität") zu höchster künstlerischer Wirksamkeit zu führen. Eingeschlossen war darin auch bereits die Idee des Festspielhauses – wie sie auch immer dann in den siebziger Jahren zur Verwirklichung gebracht wurde.

Unter Bezug auf die in den kunsttheoretischen Schriften Wagners behandelten dramatischen Themen und menschlichen Konflikte ist zweifelslos die geistige Abkunft zahlreicher dramatischer Versuche, Entwürfe und Ausführungen Wagners – zumindest die, die der Zeit ab 1848 angehören, beginnend mit der Partitur der "Meistersinger", dem dramatischen Projekt "Jesus von Nazareth", dem "Lohengrin" und der Konzeption der "Nibelungen-Trilogie" und des "Tristan" – auf ihre Verwurzelung im Konzept des "Kunstwerks der Zukunft" und von "Oper und Drama" transparent zu machen. Wagners "Mitteilung an meine Freunde" von 1851, ebenso sein Briefwechsel jener Jahre (etwa mit F. Liszt oder seinem in Waldheim bei Dresden gefangengesetzten Mitrevolutionär A. Röckel), lassen es begründet erscheinen, auch bereits das "Tannhäuser-Motiv" dem Werdeprozeß der unmittelbar während der Revolutionszeit und in den ersten Jahren des Züricher Exils niedergeschriebenen kunsttheoretischen Auffassungen zuzuordnen. Daß dies für die theoretische Interpretation und für die Bühnenpraxis im Blick auf die Mehrheit von Wagneropern von erheblichem Belang sein dürfte, liegt auf der Hand.

So sehr, mitunter geflissentlich, der Blick auf die Tiefenwirkung des Wagnerischen Feuerbach-Erlebnisses in literarisch-biographischen Untersuchungen verstellt ist und sowenig die Bewertung philosophischer Aspekte des Wagner-Bildes etwa durch die Formel "geistiges Mitläufertum" aufgehellt wird, – das Konzept des "Kunstwerks der Zukunft" ist in Wagners Schaffen fernwirkende ästhetisch-philosophische Theorie – nicht an das vollendete Kunstwerk angetragene Interpretation, was bei ihm freilich ebenfalls im Blick auf sinngemäße Reproduktion und erreichte Publikumswirkung in ausgeprägtem Maße begegnet. Daß hierbei der Blick – gegenüber einer überwuchernden Interpretation von Schopenhauer her – stärker auf die Inspiration von Wagners künstlerischem Schaffen im Sinne der kunsttheorerischen Schriften der Züricher Exiljahre gelenkt werden darf, ist legitimiert durch die Widmung des "Kunstwerkes der Zukunft" an den Philosophen Ludwig Feuerbach, durch die gemeinsame Bemühung von G. Herwegh und Wagner, Feuerbach zu Ende Oktober 1851 nach Zürich zu ziehen, durch die Übersendung von "Oper und Drama" wiederum an den Bruckberger Philosophen – und nicht zuletzt durch die bedenkenswerte Tatsache, daß die sein künstlerisches Schaffen rundende "Götterdämmerung", – die ihren Sinn nur in der Selbsterkenntnis findet, daß der Mensch das höchste Wesen für den Menschen ist und dem humanistischen Ideal der Einheit des Menschen mit dem Menschen (die Feuerbach auch in der Formel der "Liebe" vergegenwärtigte). Im Todesjahre Feuerbachs, in den von ihm selbst herausgegebenen "Gesammelten Schriften und Dichtungen" (6. Band, 1872) teilt Wagner auch den ursprünglichen Beschluß der "Götterdämmerung" (Schlußgesang der Brünnhilde) mit, der den Intentionen Feuerbachs entspricht:

"Verging wie ein Hauch / der Götter Geschlecht, / laß‘ ohne Walter / die Welt ich zurück: / meines heiligsten Wissens Hort / weis‘ ich der Welt nun zu. – / Nicht Gut, nicht Gold, / noch göttliche Pracht; / nicht Haus, nicht Hof, / noch herrischer Prunk; / nicht trüber Verträge / trügender Bund, / nicht heuchelnder Sitte / hartes Gesetz: / selig in Lust und Leid / läßt – die Liebe nur sein. "

Zuerst veröffentlicht in Festschrift "Richard-Wagner-Tage der DDR ", Leipzig 1983, S. 50-53.

 

In diesem Zusammenhang soll auf zwei Quellen gesondert hingewiesen werden:

S. Rawidowicz, Ludwig Feuerbachs Philosophie. Ursprung und Schicksal. Berlin 1931, Nachdruck 1964 bei Walter de Gruyter &CO, Berlin

Zu der Feuerbach-Herwegh-R. Wagner-Beziehung: Gesammelte Werke Hg. W. Schuffenhauer, Bd 19, Briefwechsel , S. XXXII, 331, 411, 518-520 und 534.



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