Zwei bisher unbekannte Briefe
Ludwig Feuerbachs aufgetaucht!

1. An den Verleger Julius Merz aus dem Jahr 1838

 

Unser Mitglied Herbert Albrecht, M.A., aus Berlin hatte im Jahr 1998 das Glück, einen noch ungedruckten Brief Ludwig Feuerbachs im Antiquariatshandel erwerben zu können. Der Brief wird in den von Herrn Professor Dr. Schuffenhauer herausgegebenen Gesammelten Werken Band 21 Nr. 1185 abgedruckt werden; dankenswerter Weise hat uns Herr Albrecht autorisiert, seinen Fund bereits vorab einer breiten Öffentlichkeit vorzustellen.


"Meine höchst empfindliche wissenschaftliche Muse"

Vor 160 Jahren zog Ludwig Feuerbach, der Sohn des großen Juristen, in Schloß Bruckberg ein. Nicht als Schloßherr allerdings, wie die großartige Adresse vermuten ließe, eher als Untermieter. Denn im November 1837 hatte er Bertha Löw geheiratet, eine Tochter des Ansbacher Porzellanfabrikanten Johann Christoph Löw, die bis zum Konkurs der Manufaktur Wohnrecht in Bruckberg genoß.

Zuvor hatte der 33jährige Philosoph mit seiner Dozentenstelle in Erlangen auch alle Hoffnungen auf eine Universtitätskarriere aufgegeben; einmal als Verfasser der 1830 anonym erschienenen ketzerischen "Gedanken über Tod und Unsterblichkeit" erkannt, konnte selbst dem Sohn des hochangesehenen Ritters Feuerbach nichts mehr helfen, weder Kontakte zu den Ministerien, noch direkte Eingaben an König Ludwig I.

Sie war also nicht ganz freiwillig gewählt, die Bruckberger Abgeschiedenheit, in der sich der Philosoph nun unbelastet von akademischen Zwängen seinen "größern wissenschaftlichen Planen" widmete. Seine Hauptwerke entstanden in 22 Bruckberger Jahren, allen voran "Das Wesen des Christentums" (1841), das wie kein anderes philosophisches Werk die Umbruchzeit des "Vormärz" prägte und bis in unser Jahrhundert nachwirkt – wie so oft in der deutschen Geschichte zeigte sich die "Provinz" als geistiges Zentrum.

Aus dem ersten Jahr in Bruckberg stammt ein lange verschollener und erst jetzt entdeckter Brief an den Verleger Julius Merz in Nürnberg, übrigens der einzige, der diese Verbindung dokumentiert. Merz hatte eben das "Athenäum für Wissenschaft, Kunst und Leben. Eine Monatsschrift für das gebildete Deutschland" ins Leben gerufen und war auf der Suche nach zugkräftigen Autoren. Die Konkurrenz unter den Verlegern war groß, überall entstanden in dieser Zeit geistiger Unruhe oft kurzlebige Zeitschriften, um das Interesse der Leser an den neuen philosophischen Fragen – die auch gesellschaftspolitische waren - zu bedienen.

Feuerbach sagt in dem Brief eine Mitarbeit zu, unter Vorbehalt allerdings, da er bereits für zwei andere Zeitschriften schreibe, nämlich für die "Jahrbücher für wissenschaftliche Kritik" und die auch in diesem Jahr gegründeten, bald berühmt gewordenen "Hallischen Jahrbücher" von Arnold Ruge. Für das "Athenäum", das über seinen zweiten Jahrgang nicht hinauskam, lieferte Feuerbach zwei Beiträge, darunter die als Vorarbeit für das "Wesen des Christentums" wichtige Abhandlung "Über das Wunder".

Herbert Albrecht, M.A., Berlin

... und hier nun der Brief:

Brief von Ludwig Feuerbach
an den Buchhändler Julius Merz in Nürnberg

 

Euer Wohlgeboren

haben mich zur Theilnahme an Ihrer neuen Zeitschrift
"Athenäum" eingeladen. Ich trage kein Bedenken, Ihnen
meine Theilnahme zuzusichern, aber ich bemerke auch sogleich,
daß ich – beschäftigt mit manigfaltigen Studien u.
größern wissenschaftlichen Planen – überdem, mehr
aus Rücksicht, als aus Neigung, bereits Mitarbeiter an
zwei wissenschaftl. Zeitschriften – nur höchst selten
Ihnen Beiträge werde liefern können. Wenn Sie unter
dieser, die vollkommenste Freiheit u. Ungestörtheit meiner
gegen Unterbrechungen höchst empfindlichen wissenschaft-
lichen Muse garantirenden Bedingung mich den Mit-
arbeitern Ihrer Zeitschrift beizählen wollen, so steht
meiner Seits nichts im Wege.

Indem ich Ihnen schließlich für das übersandte Probe-
heft danke u. Ihrem Unternehmen den besten Er-
folg wünsche, bin ich

Mit vollkommner Hochachtung
Euer Wohlgeboren
Bruckberg
ergebenster
den18t. Sept.1838
Dr. Ludw. Feuerbach.

Die Adresse lautet:
Sr Wohlgeboren
d. Herrn Buchhändler Julius Merz
frei.                   Nürnberg
Poststempel: Ansbach 19 Sep. 1838und: Nürnberg 20 Sep. 1838

 

 

... und hier das Original
sowie die Briefunterschrift:


Ein weiterer unbekannter Brief
Ludwig Feuerbachs

2. An Jakob Herz aus dem Jahr 1855

Ludwig Feuerbach: Eigenhändiger Brief mit Unterschrift. Bruckberg 27.XI.1855.
2 Seiten gr.-8°. Mit geteiltem Ringsiegel und Adresse. Doppelblatt; Brieftext auf den Seiten 1 und 2, Seite 3 vacat, Seite 4 Adresse. Seitengröße: 219 x 141 mm. Papiermarke: Bath. Adreßblatt mit kleinen Läsuren.

An den Mediziner Jakob Herz (1816-1871) in Erlangen, dem er den jüngsten Bruder seines Bruckberger Freundes Karl Bayer empfiehlt. Sehen Sie zu Dr. Herz auch die neue Briefvorstellung von Herrn Prof. Dr. Schuffenhauer, wo Sie auch eine Abbildung dieses Adressaten finden!

Diesen Brief konnte unser Mitglied Herbert Albrecht, M.A., aus Berlin kürzlich erwerben; er wird in den von Prof. Dr. Schuffenhauer herausgegebenen Gesammelten Werken veröffentlicht werden. Wir danken Herrn Albrecht für die Möglichkeit, diesen Brief bereits jetzt an dieser Stelle veröffentlichen zu dürfen.

Hochzuverehrender Herr.

So ungern ich sonst die Feder, seis zum Brief-
seis zum Schriftstellern, ergreife, so gern ergreife ich sie
doch jetzt, weil sie mich mit Ihnen, einem von mir innig
verehrten Mann, in, wenn auch nur geistige, Berührung
bringt, geschieht es gleich nicht aus eignem Antrieb.

Ein junger Mann, ein Bruder des hier seit einigen Jahren
ansäßigen u. mir befreundeten Dr. Bayer, welcher erstere
zwar nicht auf mein Anstiften, doch nicht ohne meine
ermunternden Versprechungen, daß ich Ihnen u. Herrn
Prof. Dietrich ihn empfehlen würde, den beklemmenden Schul-
zwang der christlichen Theo-philologie mit dem natur-
offnen, liberalen Studium der Medicin vertauscht
hat – dieser medicinische Embryo also, der vierte Sohn
eines Schullehrers in Pommersfelden, welcher in den
Erziehungs- u. Unterstützungskosten 1) eines ausstudirten
freigemeindlichen Theologen 2) eines Schullehrers höhrer
Ordnung 3) eines Malers bereits seinen mühsam
gefüllten Beutel oder wenigstens guten Willen
erschöpft hat – dieser also, um es endlich kurz abzu-
machen, hat mich ersucht, ein Wort zu seinen Gunsten
an Sie zu richten, Sie zu ersuchen, ob Sie ihm nicht

[Seite 2]

vielleicht zur Erlangung der Collegienfreiheit behülflich
sein wollten. Ich glaubte den jungen, nach meiner Meinung
u. Kenntniß von ihm der Unterstützung würdigen Manne
diese seine Bitte erfüllen zu können, ohne die Gränzen
meines Verhältnisses zu Ihnen zu überschreiten. Ich
trage Ihnen ja nur seinen Wunsch vor, aber überlasse
es vollkommen Ihrem eignen Willen u. Urtheil, ob sie
ihn erfüllen wollen oder nicht. Ich weiß im Voraus,
was Sie thun, ist das Rechte.

Empfehlen Sie mich Ihrem abendlichen Freundes-
kreise u. empfangen Sie nochmals die Versicherung,
daß ich nur deßwegen ohne Widerstreben die
Feder zu diesen Zeilen ergriff, weil sie mir die
Gelegenheit gaben, endlich einmal schriftlich
Ihnen meine innige Verehrung aussprechen
zu können. Mit dieser Gesinnung

Bruckberg 27. Nov. 1855 L. Feuerbach.

Adresse:
Herrn / Dr. Hertz / prakt. Arzt u. Prosector / Erlangen


Hier das verkleinerte Original der ersten Seite:


Zurück zur Homepage