Das Wesen der Religion

Ludwig Feuerbach: Vorlesungen über das Wesen der Religion

Vortrag vor der Gesellschaft für kritische Philosophie am 26.04.2000
von Joachim Goetz † (Nürnberg)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, liebe Freundinnen und Freunde!

Meine Absicht ist es von vorneherein, Ihnen nicht nur die Vorlesungen Feuerbachs über das Wesen der Religion vorzustellen. Ich möchte seine Vorlesungen wenigstens in kurzen Zügen in die Lebensumstände einbetten, in denen er sich in den vierziger Jahren des 19. Jahrhunderts befand. Auf den Inhalt der dreißig Vorlesungen selbst kann ich wegen deren Umfang nur punktuell eingehen und versuchen, einiges Wesentliches vorzustellen.

Zunächst also zu den vierziger Jahren des 19. Jahrhunderts. Wie kommt Ludwig Feuerbach im Revolutionsjahr 1848 ausgerechnet nach Heidelberg, um dort seine 30 "Vorlesungen über das Wesen der Religion" zu halten? Zur Erklärung hierzu eine kurze Rückblende.(1)

1837 hatte Feuerbach geheiratet und war zu seiner jungen Frau und deren Verwandten nach Schloss Bruckberg bei Ansbach gezogen. Hier vollendete er sehr bald, nämlich 1841, seine Schrift über "Das Wesen des Christentums".

Er reiste in diesen Jahren sehr wenig. Allerdings besuchte er fast jedes Jahr seinen Freund Christian Kapp, der in Heidelberg Philosophieprofessor war. Während eines langen Sommeraufenthaltes im Jahre 1841 entwickeln sich zunächst zarte Bande zwischen dem 37jährigen Feuerbach und Johanna Kapp, der 16jährigen Tochter seines Freundes und Gastgebers. Ein sehr hübsches, intelligentes und frühreifes Mädchen. Aus der zaghaften Zuneigung wird sehr schnell leidenschaftliche Liebe zwischen den beiden.

Feuerbach ist in den folgenden Jahren hin- und hergerissen. Einerseits genießt er die schwärmerische Liebe und Verehrung der leidenschaftlichen Johanna, andererseits will er die Ruhe und Geborgenheit seines Bruckberger Landlebens nicht aufgeben.

Bei einem Besuch in Heidelberg kommt es im Frühsommer 1845 zu einer Aussprache zwischen Johanna und Berta, Feuerbachs Frau. Dadurch wächst die Entfremdung zwischen Feuerbach und seiner Frau und wird seitdem nicht mehr beigelegt. Erst im Sommer 1846 findet er den Mut, der schönen Johanna zu gestehen, dass er sich gegen sie für seine Frau und Tochter entscheide. Diese Entscheidung teilt er auch brieflich seiner Frau mit. Er werde in Kürze nach Bruckberg zurückkehren und wörtlich "trotz des unfreundlichen Abschieds herzlich gerne wieder bei Dir und unserem lieben Lorchen sein". Er habe Johanna geliebt und liebe sie weiterhin, aber sie sei frei, er gebunden, sie jung und er alt.

Damit ist die Affäre aber nur äußerlich erledigt. Johanna hofft immer noch auf eine glückliche Zukunft für ihre Liebe zu Ludwig. Im Oktober 1847 weist sie den Dichter Hoffmann von Fallersleben ab, der um ihre Hand anhält. Ein Jahr später, einen Monat vor Beginn von Feuerbachs Vorlesungen in Heidelberg, verliert ein weiterer Dichter, Gottfried Keller - übrigens ein großer Bewunderer Feuerbachs - sein Herz in Heidelberg und möchte Johanna zur Ehefrau. Auch er wird abgewiesen. Lassen Sie mich noch kurz auf das Ende der schönen Johanna eingehen, der Muse Feuerbachs. 1871 stirbt sie, 46 Jahre alt in geistiger Verwirrung. Unverheiratet und von der Einbildung gepeinigt, dass alle Welt ihre unglückliche Liebe zu Feuerbach kenne und sie deshalb verachte. Feuerbach hat sie noch um ein Jahr überlebt.

Nun aber zum großen Revolutionsjahr 1848. Im Februar setzten die Franzosen bereits ihre dritte Revolution seit 1789 in Szene. Und diesmal schwappte der Aufruhr auch in großem Umfang zum deutschen Michel über, der nun zum ersten Mal ernsthaft den großen Aufstand probte.

Im Revolutionsjahr 1848 sah anscheinend auch Feuerbach noch einmal die Chance, sich aus kleinbürgerlichen Verzichten und Umgebungen zu befreien. Im Alter von 44 Jahren plante er den Start in ein neues Leben. "Vive la Republique", schreibt er an seinen Verleger Otto Wigand am 3. März 1848, " die französische Revolution hat auch in mir eine Revolution hervorgebracht. So bald ich kann, sobald ich hier alles in’s Reine gebracht, gehe ich nach Paris, ohne Weib und Kind, ohne Bücher...Es ist keineswegs nur allein das in Paris aufgegangene Licht, das mich in’s Leben, und zwar ein neues Leben ruft, es sind auch höchst traurige Gründe, die Sie mit der Zeit erfahren werden, die mich von hier forttreiben." Feuerbach wollte nämlich mit der Schriftstellerei überhaupt aufhören.

Ende März 1848 bricht er also zu seiner Reise nach Paris auf. Bis dahin sollte er aber nie kommen. Er bleibt zunächst in Frankfurt am Main. Dort fand am 18.Mai die Eröffnung des Paulskirchenparlaments statt. Bereits am 4.April 1848 hatten Studenten in einer Frankfurt erscheinenden Zeitschrift Feuerbach in einem offenen Brief aufgefordert und gebeten, an den Beratungen des Parlaments aktiv teilzunehmen. Sein Freund, Christian Kapp, hatte ein Mandat angenommen, legte es aber später als überzeugter Demokrat enttäuscht nieder. Feuerbach startet nicht einmal einen Versuch.

In den Pfingstferien besucht er die Familie Kapp in Heidelberg, was natürlich ein Wiedersehen mit seiner geliebten Johanna bedeutet . Es folgen noch einige kurze Zwischenaufenthalte in Frankfurt. Schließlich beginnt er auf Einladung der Bürger von Heidelberg im Rathaussaal der Stadt seine Vorlesungen zum Wesen der Religion zu halten. Ab Anfang Dezember spricht er dort gegen Honorar jeweils mittwochs, freitags und samstags abends.

Seine kleine Broschüre "Das Wesen der Religion", die bereits 1846 erschienen war, bildete den Rahmen. Feuerbach ließ sich aber von seiner Frau noch allerlei Exzerpte und Studien aus Bruckberg schicken. Damit erweiterte er die Gedanken der Broschüre und arbeitete schließlich die Vorlesungen Wort für Wort aus. Feuerbachs Muse, die schöne Johanna, schrieb seine Manuskripte ab.

Etwas über 100 Zuhörer zahlten das geforderte Vorlesungshonorar. Eine Reihe interessierter Handwerker, Gesellen und Meister durften auf ihre Bitte hin kostenlos an den Vorlesungen teilnehmen und zwar auf der Galerie des Rathaussaals. Meines Wissens die erste Volkshochschulveranstaltung in Deutschland.

Feuerbach war der Meinung - und er sollte damit leider recht behalten - dass die Deutschen noch nicht reif für demokratische Reformen seien und die Revolution deshalb scheitern müsse. Seiner Ansicht nach war eine Reformation des Bewusstseins eine unentbehrliche Voraussetzung für die Reformation der politischen Zustände. So wollte er seinen Beitrag nicht in der Paulskirche in Frankfurt, sondern auf dem Katheder leisten. Das Universitätskatheder in Heidelberg hatte ihm die Regierung verboten. Also ließ er sich das Katheder im Heidelberger Rathaussaal aufstellen.

Gleich zu Beginn seiner ersten Vorlesung stellt er allerdings fest: "Indem ich hiermit meine Vorlesungen über "Das Wesen der Religion" eröffne, muss ich vor allem bekennen, dass es nur der Ruf, der ausdrückliche Wunsch eines Teils der hier studierenden Jugend ist, der mich, und zwar nach langem Widerstreben, zu diesem Schritt bestimmt hat."

Er betont zwar: "Die Religion, der Gegenstand dieser Vorlesungen, hängt nun allerdings mit der Politik aufs innigste zusammen," fügt jedoch sofort hinzu: "aber unser hauptsächlichstes Interesse ist gegenwärtig nicht die theoretische, sondern die praktische Politik."

Ein anderes Bedenken trägt er seinen Hörern vor. Er sei von Natur weniger zum Lehrer als zum Denker und Forscher bestimmt. "Allerdings bin ich nichts weniger als ein wissenschaftlicher Geizhals oder Egoist, der nur für sich sammelt und sorgt; nein, was ich für mich tue und denke, muss ich auch für andere denken und tun." meint er dann.

Schließlich fügt er noch freimütig und für seine Person bezeichnend hinzu: "Ich mache Sie, meine Herren hierauf aufmerksam, hierauf, dass ich den schönsten Teil meines Lebens nicht auf dem Katheder, sondern auf dem Lande, nicht in der Universitätsaula, sondern im Tempel der Natur, nicht in Salons und Audienzzimmern, sondern in der Einsamkeit meiner Studierstube zugebracht habe, damit sie nicht mit Erwartungen an meine Vorlesungen kommen, in denen Sie sich getäuscht finden, nicht einen beredten glänzenden Vortrag von mir erwarten."

Im Folgenden stellt er dann seine Schriften und Bücher mit ihren wesentlichen Inhalten vor, natürlich auch das "Wesen des Christentums" (1841).

Ich will deshalb zum Verhältnis zwischen diesen beiden Schriften, also "Wesen des Christentums" und "Wesen der Religion" Feuerbach selbst zu Wort kommen lassen.

In seiner dritten Vorlesung sagt er: "Meine im `Wesen des Christentums` ausgesprochene Ansicht oder Lehre...hat übrigens eine große Lücke und gab daher zu den allertörichsten Missverständnissen Anlass.....im "Wesen des Christentums" war mein Gegenstand nur Gott als moralisches Wesen, notwendig konnte ich daher im "Wesen des Christentums" kein vollständiges Bild meiner Anschauung und Lehre geben. Die andere, dort weggelassene Hälfte Gottes, seine physischen Eigenschaften, musste ich daher in einer anderen Schrift geben, konnte sie aber sachgemäß , objektiv nur in einer solchen Schrift geben, wo auch die Naturreligion zur Sprache kommt, die Religion welche hauptsächlich nur den physischen Gott zu ihrem Gegenstande hat. Wie ich nun aber im "Wesen des Christentums" zeigte, dass Gott nach seinen moralischen oder geistigen Eigenschaften betrachtet, Gott also als moralisches Wesen, nichts anderes ist als das vergötterte und vergegenständlichte geistige Wesen des Menschen, die Theologie also in Wahrheit in ihrem letzten Grund und Endresultate nur Anthropologie ist, so zeigte ich im "Wesen der Religion" - hier meint er die im Jahre 1846 erschienene Broschüre, auf die seine Vorlesungen aufbauen - dass der physische Gott oder Gott, wie er nur als die Ursache der Natur, der Sterne, Bäume, Steine, Tiere, Menschen, wiefern auch sie natürliche physische Wesen sind, betrachtet wird, gar nichts anderes ausdrückt als das vergötterte, personifizierte Wesen der Natur....Wenn ich daher meine Lehre zuvor in den Satz zusammenfasste: Die Theologie ist Anthropologie, so muss ich zur Ergänzung jetzt hinzusetzen: und Physiologie. Meine Lehre oder Anschauung fasst sich daher in die zwei Worte Natur und Mensch zusammen."

Etwas weiter unten, immer noch in der dritten Vorlesung, geht er dann, den Gedanken der ersten Vorlesung aufgreifend, nochmals auf seine Vorstellungen von Religion und Politik ein und stellt eindeutig fest: "Mir war es und ist es noch jetzt hauptsächlich nur insofern um die Religion zu tun, als sie, wenn auch nur in der Einbildung, die Grundlage des menschlichen Lebens, die Grundlage der Moral und Politik ist. Mir war und ist es vor allem darum zu tun, das dunkle Wesen der Religion mit der Fackel der Vernunft zu beleuchten, damit der Mensch endlich aufhöre, eine Beute, ein Spielball aller jener menschenfeindlichen Mächte zu sein, die sich von jeher, die sich noch heute des Dunkels der Religion zur Unterdrückung des Menschen bedienen. Mein Zweck war, zu beweisen, dass die Mächte, vor denen sich der Mensch in der Religion beugt und fürchtet, denen er sich nicht scheut, selbst blutige Menschenopfer darzubringen, um sie sich günstig zu machen, nur Geschöpfe seines eigenen, unfreien, furchtsamen Gemütes und unwissenden, ungebildeten Verstandes sind, zu beweisen, dass überhaupt das Wesen, welches der Mensch als ein anderes von ihm unterschiedenes Wesen in der Religion und Theologie sich gegenübersetzt, sein eigenes Wesen ist, damit der Mensch, da er doch unbewusst immer nur von seinem eigenen Wesen beherrscht und bestimmt wird, in Zukunft mit Bewusstsein sein eigenes, das menschliche Wesen zum Gesetz und Bestimmungsgrund, Ziel und Maßstab seiner Moral und Politik mache."

Und dann folgt ein berühmter, oft zitierter Satz: "Der Zweck meiner Schriften, so auch meiner Vorlesungen, ist: die Menschen aus Theologen zu Anthropologen, aus Theophilen zu Philanthropen, aus Kandidaten des Jenseits zu Studenten des Diesseits, aus religiösen und politischen Kammerdienern der himmlischen und irdischen Monarchie und Aristokratie zu freien, selbstbewussten Bürgern der Erde zu machen."

In den sich anschließenden Vorlesungen geht er dann ganz konkret und mit einer Fülle von Beispielen aus dem religiösen Verhalten zahlreicher Völker und Stämme in der Vergangenheit bis hin zu seiner Gegenwart, also der Mitte des 19. Jahrhunderts, auf das "Wesen der Religion ein".

Für ihn ist das Abhängigkeitsgefühl der Grund der Religion. Der ursprüngliche Gegenstand dieses Abhängigkeitsgefühls ist die Natur. Die Natur ist also der erste Gegenstand der Religion.

Zunächst fasst er das Abhängigkeitsgefühl als den "subjektiven Ursprung oder Grund der Religion" - wie er es nennt - ins Auge.

Als populärste, augenfälligste Erscheinung des Abhängigkeitsgefühls nennt er die Furcht. Wörtlich führt er aus: "Die Erklärung der Religion aus der Furcht wird vor allem durch die Erfahrung bestätigt, dass fast alle oder doch sehr viele rohe Völker nur oder doch hauptsächlich die furcht- und schreckenerregenden Erscheinungen oder Wirkungen der Natur zum Gegenstande der Religion machen."

Es folgen nun wie auch in den weiteren Vorlesungen Beispiele aus Reisebeschreibungen über das Verhalten von Negerkönigen, den Bewohnern von Sumatra, den heidnischen Völkern des Orients, den Indianern, den Römern, den Germanen mit ihrem Gott Donar usw., usw. Besonders für die Zuhörer Feuerbachs auf der Galerie des Rathaussaales, also die Handwerksmeister und Gesellen mag das als sehr anschaulich und spannend gewirkt haben.

Dass die Furcht auch in den christlichen Kirchen und nicht nur bei den rohen Völkern eine entscheidende Rolle spielt veranschaulicht er ebenfalls an Beispielen.

Die Furcht ist allerdings nicht der vollständige, ausreichende Grund für die Religion. Denn wenn die Gefahr, Angst oder Not vorüber sind, folgt ein entgegengesetzter Affekt, das Gefühl der Erlösung von der Gefahr, das Gefühl also der Liebe, Freude und Dankbarkeit. Zitat: Der Gott, der durch seinen Blitzstrahl Bäume, Tiere und Menschen zerschmettert, derselbe ist es auch, der durch seine Regengüsse die Felder und Fluren erquickt." Beispiele aus dem religiösen Leben der Völker in Vergangenheit und Gegenwart folgen.

Im weiteren setzt Feuerbach dann auch Abhängigkeitsgefühl und Endlichkeitsgefühl gleich, nämlich der Gedanke, die Vorstellung des Todes. Das Mittel gegen den Tod ist aber der Glaube an die Unsterblichkeit, die Gott oder Götter verleihen.

Wie schon zu Beginn der vierten Vorlesung angekündigt, kommt nun Feuerbach zum ursprünglichen Gegenstand der Religion, nämlich der Natur. Dazu sagt er: "...dass die Religion allerdings den Menschen wesentlich oder eingeboren sei, aber nicht die Religion im Sinne der Theologie oder des Theismus, des eigentlichen Gottesglaubens, sondern nur die Religion, inwiefern sie nichts anderes ausdrückt als das Gefühl der Endlichkeit und Abhängigkeit des Menschen von der Natur."

Er bekennt sich selbst als Anhänger der Naturreligion, aber nicht im Sinne der Theologie oder des Pantheismus. Dazu sagt er wiederum wörtlich: "Sogut ich ein menschliches Individuum verehren und lieben kann, ohne es deswegen zu vergöttern, ohne selbst deswegen seine Fehler und Mängel zu übersehen, ebensogut kann ich auch die Natur als das Wesen, ohne welches ich nichts bin, anerkennen, ohne deswegen ihren Mangel an Herz, Verstand und Bewusstsein, die sie erst im Menschen bekommt, zu vergessen, ohne also in den Fehler der Naturreligion und des philosophischen Pantheismus zu verfallen, die Natur zu einem Gotte zu machen."

In einem Exkurs geht nun Feuerbach im Rahmen der sechsten Vorlesung auf den "Tierkultus" ein, wie er das nennt. Die Tiere sind nämlich dem Menschen unentbehrliche Helfer. Von ihnen hängt seine Existenz ab. Der Mensch verehrt aber das als Gott, von dem seine Existenz abhängt. In der Verehrung der Tiere vergegenständlicht sich letztlich nur der Wert, den er auf sich und sein Leben legt.

Letztlich hat der Tierkultus also einen egoistischen Grund. Damit springt er zu einem weiteren Gedanken über. Wörtlich sagt er: "Ich gebrauche zum Entsetzen der heuchlerischen Theologen und phantastischen Philosophen als Bezeichnung des Grundes und Wesen der Religion das Wort ‚Egoismus‘". Der Mensch macht eben einen Gegenstand, ein Tier zum Gott, wenn ihm diese nützlich, unentbehrlich, wohltätig sind.

Ausführlich beschäftigt er sich dann mit dem Einwand, dass der Mensch sich in der Religion, verleugnet, büßt, kasteit, also keineswegs sich egoistisch verhält. Seine Antwort lautet, dass sich damit der Mensch ja nur die Gunst seiner Götter erwerben will. Er zitiert den Verfasser eines Buches über das alte Indien, der meint, dass man durch die Strenge der Büßungen den Göttern trotzen kann, so dass sie jede Bitte gewähren müssen. Die Verneinung ist nur eine Form der Selbstbejahung, der Selbstliebe.

Am deutlichsten zeigt sich dies an den Opferriten. Hier bringt er wie immer eine Reihe von Beispielen, die im Opferverhalten der Christen gipfeln, welche mit dem Opfer die ewige Seligkeit erringen wollen.

Nach diesem Exkurs oder Rückgriff auf das Abhängigkeitsgefühl und den Egoismus springt er wieder zum ersten Gegenstand des Abhängigkeitsgefühles zurück, nämlich zur Natur, die der Mensch in den verschiedenen Religionen vergöttert. eine der vielen Beschreibungen und Definitionen Feuerbachs zur Natur will ich wörtlich zitieren. In der elften Vorlesung sagt er: "Natur ist alles, was dem Menschen, abgesehen von den supranaturalistischen Einflüsterungen des theistischen Glaubens, unmittelbar, sinnlich als Grund und Gegenstand seines Lebens sich erweist. Natur ist Licht, ist Elektrizität, ist Magnetismus, ist Luft, ist Wasser, ist Feuer, ist Erde, ist Tier, ist Pflanze, ist Mensch, soweit er ein unwillkürlich und unbewusst wirkendes Wesen, - nichts weiter, nichts Mystisches, nichts Nebuloses, nichts Theologisches nehme ich bei dem Worte ‚Natur‘ in Anspruch."

Betrachtet man nun das Verhalten der Götter- und Gottesgläubigen und die Wesensbestimmungen der Gottheit, so zeigt sich, dass alle diese Wesensbestimmungen in der Natur wurzeln. So ist zum Beispiel die Macht, ja die Allmacht, die erste Eigenschaft der Gottheit. Aber diese Macht drückt nichts anderes aus als die Macht der Naturerscheinungen.

Feuerbach vergleicht dann - ganz aktuell im Revolutionsjahr 1848 - Gott mit einem Monarchen und die Natur mit einer Republik: "So wie in der Republik, wenigstens der demokratischen, die wir hier allein meinen, nur volkstümliche Wesen, aber keine Fürsten regieren, so herrschen auch in der Natur keine Götter, sondern nur natürliche Kräfte, natürliche Gesetze, natürliche Elemente und Wesen."

Wie ich schon zu Beginn sagte, kann ich die Gesamtheit der Gedanken Feuerbachs in seinen dreißig Heidelberger Vorlesungen nur punktuell kennzeichnen. Ich gehe deshalb zu seinen Anmerkungen am Ende der neunzehnten Vorlesung über. Hier ist ein verhältnismäßig deutlicher Einschnitt in seiner Gedankenführung zu erkennen. Er gibt einen zusammenfassenden Rückblick auf seine bisherigen und einen Ausblick auf die noch folgenden zehn Vorlesungen.

Zunächst ein Zitat aus dem Rückblick: "Ich habe den ersten Teil meiner Aufgabe erfüllt. Diese war, zu beweisen, dass der Mensch seinen Ursprung nicht vom Himmel, sondern von der Erde, nicht von Gott, sondern von der Natur ableiten, dass der Mensch sein Leben und Denken mit der Natur beginnen müsse, dass die Natur keine Wirkung eines von ihr unterschiedenen Wesens, sondern, wie die Philosophen sagen, Ursache ihrer selbst, dass sie kein Geschöpf, kein gemachtes oder gar aus nichts geschaffenes, sondern ein selbstständiges, nur aus sich zu begreifendes, nur von sich abzuleitendes Wesen sei, dass die Entstehung der organischen Wesen, die Entstehung der Erde, die Entstehung der Sonne selbst...immer nur ein natürlicher Prozess gewesen sei, dass wir, um die Entstehung derselben uns zu veranschaulichen und begreiflich zu machen, nicht vom Menschen, vom Künstler, vom Handwerker, vom Denker, der die Welt aus seinen Gedanken aufbaut, sondern von der Natur ausgehen müssen."

Und mit einem Blick auf die nun noch folgenden zehn Vorlesungen bemerkt er: "Ich gehe nun zu dem zweiten und letzten Teil meiner Aufgabe, welche ist zu beweisen, dass der von der Natur unterschiedene Gott nichts anderes ist als das eigene Wesen des Menschen, gleichwie ich im ersten Teil zu zeigen hatte, dass der vom Menschen unterschiedene Gott nichts andres als die Natur oder das Wesen der Natur. Oder, im ersten Teil hatte ich zu beweisen, dass das Wesen der Naturreligion die Natur, dass sich in der Natur und Naturreligion nichts andres offenbart und darstellt als die Natur; jetzt habe ich zu beweisen, dass sich in der Geistesreligion nichts anderes ausspricht und offenbart als das Wesen des menschlichen Geistes. Ich habe schon in den ersten Stunden erklärt, dass ich in diesen Vorlesungen von den untergeordneten Unterschieden der Religion absehe, dass ich die Religion nur auf zwei große Unterschiede oder Gegensätze reduziere, auf Naturreligion und Menschen- oder Geistesreligion, auf Heidentum und Christentum. Ich komme daher jetzt vom Wesen der Naturreligion oder des Heidentums zum Wesen des Christentums."

Ungefähr ein Drittel der Vorlesungen Feuerbachs zum Wesen der Religion bezieht sich also ausdrücklich auf das Wesen des Christentums.

Im folgenden führt er aus, dass die Quelle der Religion und ihres Gegenstandes, nämlich Gottes, die Phantasie, die Einbildungskraft ist. Er schildert die Einstellung der Christen, die das "theoretische Religionsvermögen", wie er es nennt, mit dem Wort "Glauben" bezeichnen.

"Religiös und gläubig ist ihnen eins", sagt er, "ebenso Unglaube und Gottesleugnung. Wenn wir aber näher untersuchen, was dieses Wort bedeutet, so ist es nichts anderes als die Einbildungskraft."

In der einundzwanzigsten Vorlesung will er jedoch ein Missverständnis ausräumen. Zwar sind die Gegenstände des christlichen Glaubens Erzeugnisse der Einbildungskraft. Er will damit aber nicht sagen, dass das Alte und Neue Testament reine Fabel und Erdichtung seien. Er betont, dass sich die Phantasie an natürlichen und geschichtlichen Stoffen entzündet.

Wörtlich führt er aus: "Ich leugne also nicht, dass ein Jesus gewesen, eine historische Person also war, der die christliche Religion ihren Ursprung verdankt, ich leugne nicht, dass er gelitten für seine Lehre; aber ich leugne, dass dieser Jesus ein Christus, ein Gott oder Gottessohn, ein von einer Jungfrau geborenes, wundertätiges Wesen gewesen sei, dass er Kranke durch sein bloßes Wort geheilt, Stürme durch seinen bloßen Befehl beschwichtigt, Tote, die schon der Verwesung nahe waren, erweckt und selbst von dem Tode auferweckt worden sei, kurz ich leugne, dass er so gewesen ist wie ihn die Bibel uns darstellt; denn in der Bibel ist Jesus kein Gegenstand der schlichten, historischen Erzählung, sondern der Religion, also keine geschichtliche, sondern eine religiöse Person, d.h. ein in ... der Phantasie umgesetztes und umgewandeltes Wesen." Und ganz auf der Höhe der heutigen, aktuellen Leben-Jesu-Forschung - einer Höhe, auf der sich im christlichen Glauben und an die Normen der katholischen Kirche gebundene Theologen heute noch immer nicht befinden - fügt er hinzu: "Und ein törichtes oder wenigstens unfruchtbares Bestreben ist es, die geschichtliche Wahrheit von den Zusätzen, Entstellungen und Übertreibungen der Einbildungskraft scheiden zu wollen. Es fehlen uns hierzu die historischen Mittel. Der Christus, der oder wie er uns in der Bibel überliefert ist - und wir wissen von keinem andern -, ist und bleibt ein Wesen, ein Geschöpf der menschlichen Einbildungskraft."

Feuerbach schildert dann, dass es gegen seine Behauptung, der geistige Gott der Christen sei nur ein Produkt menschlicher Einbildungskraft, massiven Protest gibt.

Hierzu wieder ein Zitat: "Gegen diese Behauptung haben die Gläubigen, insbesondere die Theologen, entsetzlich deklamiert und ausgerufen: Wie ist’s möglich, dass das eine bloße Einbildung sei, was Millionen soviel Trost gewährt hat, dem Millionen selbst ihr Leben aufgeopfert haben? Aber das ist gar kein Beweis für die Wirklichkeit und Wahrheit dieser Gegenstände. Die Heiden haben ihre Götter ebensogut für wirkliche Wesen gehalten, haben ihnen Hekatomben von Stieren, haben ihnen sogar das Leben, sei es nun ihr eigenes oder das anderer Menschen, aufgeopfert, und doch gestehen jetzt die Christen, dass diese Götter nur selbstgeschaffene, eingebildete Wesen waren. Was die Gegenwart für Wirklichkeit hält, das erkennt die Zukunft für Phantasie, für Einbildung. Es wird eine Zeit kommen, wo es ebenso allgemein anerkannt sein wird, dass die Gegenstände der christlichen Religion nur Einbildung waren....Es ist nur der Egoismus des Menschen, dass er seine Gott für den wahren, die Götter anderer Völker für eingebildete Wesen hält."

Neben Phantasie und Einbildungskraft führt Feuerbach noch einen weiteren Grund an, warum der Mensch an Gott bzw. an Götter glaubt. Er glaubt an ein vollkommenes Wesen, weil er selbst wünscht, vollkommen zu sein. Er glaubt an ein unsterbliches Wesen, weil er selbst nicht zu sterben wünscht. Was er selbst nicht ist, aber zu sein wünscht, dass stellt er sich in der Gottheit vor. Wörtlich sagt er: "Die Götter sind die als wirklich gedachten, die in wirkliche Wesen verwandelten Wünsche des Menschen; ein Gott ist der in der Phantasie befriedigte Glückseligkeitstrieb des Menschen."

In diesem Zusammenhang taucht der schon wiederholt von ihm verfolgte Gedankengang auf, dass Religion letztlich dem menschlichen Egoismus entspringt. Es ist für seine Selbstliebe unerträglich, dass die Natur mit unabänderlicher Notwendigkeit wirkt. Seine Wunschvorstellung von einem menschenähnlichen und menschenliebenden Wesen, das die Natur lenkt und regiert und den Menschen in seinen besonderen Schutz nimmt, will er nicht aufgeben. Diese Vorstellung von der göttlichen Vorsehung und der Liebe Gottes entspringt seiner Selbstliebe, aber nur, solange das Herz im Dienst der Einbildungskraft steht und ebendeswegen auch nur in religiösen Einbildungen seinen Trost findet.

Und wieder wörtlich Feuerbach: "Denn sowie der Mensch seine Augen öffnet, sowie er ungeblendet durch religiöse Vorstellungen die Wirklichkeit ansieht, wie sie ist, so empört sich das Herz gegen die Vorstellung einer Vorsehung wegen ihrer Parteilichkeit, mit der sie den einen rettet, den anderen untergehen lässt, die einen zum Glück und Reichtum, die anderen zum Unglück und Elend bestimmt, wegen ihrer Grausamkeit oder Untätigkeit wenigstens, mit der sie Millionen von Menschen den grässlichsten Leiden und Martern unterworfen."

Er zählt dann noch weitere Gräuel auf, die die gesamte Menschheitsgeschichte durchziehen und meint abschließend: Es verträgt sich weit mehr mit einem wahrheitsliebenden Herzen, weit mehr selbst mit der Ehre eines Gottes, sein Dasein geradezu zu leugnen, als durch die schändlichen und albernen Kniffe und Pfiffe, welche die gläubigen Theologen und Philosophen zur Rechtfertigung der göttlichen Vorsehung ausgeheckt haben, sein Dasein (also das Dasein Gottes) kümmerlich zu fristen."

Auf die gläubigen Philosophen und Wissenschaftler geht er noch näher ein und spart nicht mit seiner Kritik. Die Reformatoren der Philosophie und Wissenschaften überhaupt waren und sind Freigeister und Abergläubige zugleich. Und nun wieder ganz wörtlich zitiert: "Sie lebten in dem unseligen Zwiespalt zwischen Staat und Kirche, Weltlichem und Geistlichem, Menschlichem und Göttlichem. Das sogenannte Weltliche unterwarfen sie ihrer Kritik; in kirchlichen und religiösen Dingen aber waren sie so gläubig wie die Kinder und Weiber, unterwarfen sie demütig ihre Vernunft den unsinnigsten, phantastischsten Vorstellungen und Glaubensartikeln. Der Grund dieser widerwärtigen Erscheinung ist leicht zu erklären. Die Religion heiligt ihre Vorstellungen und Gebräuche, macht von ihnen das Heil der Menschen abhängig, dringt sie dem Menschen als Gewissenssache auf. So vererben sie sich unverändert und unangetastet von Geschlecht zu Geschlecht fort. ... Während daher in allen anderen Stücken der Mensch fortgeschritten ist, bleibt er in der Religion stockblind und stockdumm auf dem alten Flecke stehen.

Feuerbach beklagt dann im Folgenden, dass dieser widerwärtige Widerspruch zwischen Religion und Bildung immer noch besteht und die Aufhebung dieses Widerspruchs die unerlässliche Bedingung der Wiedergeburt der Menschheit ist. Das sagte er vor 150 Jahren und das könnte er in unserer heutigen geistigen Situation - vielleicht mit kleineren Unterschieden - immer noch sagen.

Ähnliches gilt für seine Gedanken zu Religion und Politik, mit denen er die 24. Vorlesung beginnt. Da heißt es: "Ich für meinen Teil gebe keinen Pfifferling für politische Freiheit, wenn ich ein Sklave meiner religiösen Einbildungen und Vorurteile bin. Die wahre Freiheit ist nur da, wo der Mensch auch religiöse frei ist, die wahre Bildung nur da, wo der Mensch seiner religiösen Vorurteile und Einbildungen Herr geworden ist.... Wo daher die Menschen politisch frei, religiös unfrei sind, da ist auch der Staat kein vollkommener oder noch nicht vollendeter. ... Was aber ... die Glaubens- und Gewissensfreiheit betrifft, so ist’s allerdings die erste Bedingung eines freien Staates, dass ‚jeder nach seiner Facòn selig werden‘, jeder glauben kann, was er will. Aber diese Freiheit ist eine sehr untergeordnete und inhaltslose; denn sie ist nichts anderes als die Freiheit oder das Recht, dass jeder auf eigene Faust ein Narr sein kann."

In der 26. Vorlesung und den folgenden wendet er sich dann wieder ganz innerreligiösen Fragen zu, die wie bisher ständig um seine Grundgedanken kreisen, wie Religion entsteht und was ihr eigentlicher Gegenstand ist. Dass es dabei zu inhaltlichen Wiederholungen kommt, versteht sich von selbst. Jedenfalls stellt er nun in den Mittelpunkt seiner Überlegungen das Wunder.

So beginnt er auch die 26. Vorlesung mit dem Satz: "Der Begriff des Wunders ist einer der wichtigsten, um das Wesen der Religion, insbesondere der christlichen, zu erkennen. Wir müssen uns daher etwas bei demselben aufhalten."

Er führt dann näher aus, dass sich in den Wundern das Wesen der Religion versinnlicht. Wie die Religion ist auch das Wunder nicht nur eine Sache des Gefühls und der Phantasie, sondern auch des Glückseligkeitstriebes. Er verweist auf seine Schrift "Das Wesen des Christentums", in der er das Wunder als einen realisierten supranaturalistischen, d.h. als einen verwirklicht vorgestellten übernatürlichen Wunsch bestimmt.

Wörtlich meint er: "Betrachten wir nun die Wunder, so werden wir finden, dass in ihnen nichts anderes vergegenständlicht, versinnlicht, verwirklicht ist als das Wesen des Wunsches."

Diese These veranschaulicht er an den Wundern Jesu, also an den Krankenheilungen, Krankenheilungen selbst aus der Ferne, Heilungen unheilbarer Krankheiten, schließlich an den Totenerweckungen. Hier wird er noch ausführlicher. Er geht auch auf die Auferstehung Christi ein und zitiert dann das Neue Testament mit dem bekannten Satz: "Ich bin die Auferstehung und das Leben. Wer an mich glaubt, wird leben, auch wenn er schon gestorben ist. Und jeder, der lebt und an mich glaubt, wird in Ewigkeit nicht sterben."

In diesen Sätzen über das Wunder der Auferstehung erfüllt sich der größte Wunsch der Menschen nach der Überwindung des Todes und nach dem Gewinn der persönlichen Unsterblichkeit.

Feuerbach formuliert dann die These: "Der Mensch glaubt nicht an die Unsterblichkeit, weil er an Gott glaubt, sondern er glaubt an Gott, weil er an die Unsterblichkeit glaubt, weil er ohne den Gottesglauben den Unsterblichkeitsglauben nicht begründen kann."

In der letzten, der dreissigsten Vorlesung, verurteilt er den Unsterblichkeitsglauben, weil er die Menschen daran hindert, alle Kräfte auf die Verbesserung der Zustände in diesem Leben zu konzentrieren. An die Stelle der Gottesliebe aber müssen wir die Menschenliebe als die einzige wahre Religion setzen.

Und dann folgt der letzte Satz der Vorlesungsreihe in Heidelberg:

"Mit diesen Worten, meine Herren, schließe ich diese Vorlesungen und wünsche nur, dass ich die mir in diesen Vorlesungen gestellte, in einer der ersten Stunden ausgesprochene Aufgabe nicht verfehlt habe, die Aufgabe nämlich, Sie aus Gottesfreunden zu Menschenfreunden, aus Gläubigen zu Denkern, aus Betern zu Arbeitern, aus Kandidaten des Jenseits zu Studenten des Diesseits, aus Christen, welche ihrem eigenen Bekenntnis und Geständnis zufolge ‚halb Tier, halb Engel‘ sind, zu Menschen, zu ganzen Menschen zu machen."

So endete Feuerbachs revolutionärer Aufbruch nach Paris im Heidelberger Rathaus. Er geht wieder an seinen Bruckberger Schreibtisch. Für ihn war es letztlich auch ein enttäuschender Rückzug. In diesem Sinn schreibt er an Friedrich Kapp, einen Cousin seiner geliebten Johanna: "Du gehst nach Paris und ich gehe nach dem Interim einer Vorlesung auf ein deutsches Dorf; Du beginnst ein neues Leben, und ich fange ganz im Einklang mit der deutschen ‚Revolution‘ wieder das alte Leben an. Du gehst der Zukunft entgegen und ich hinke wieder tiefgebeugt in die Vergangenheit zurück; Du Glücklicher! segelst jetzt selbst in das jugendliche Amerika hinüber, und ich sitze auf dem Mist des altersfaulen Europas."

Friedrich Kapp sollte sich in Amerika umsehen, ob sich etwas Passendes für Feuerbach fände. Aber er konnte ihm letztlich keine positive Nachricht dazu übermitteln.

Im Jahr 1856 erschien in der "Presse" (eine Zeitschrift dieses Namens) irrtümlicherweise ein Nachruf auf Feuerbach. Diesen nahm er zum Anlass eines Leserbriefs, in dem er mit Datum vom 26.11.56 u.a. schreibt: "Es ist kein Wunder, dass ich bereits zu den Toten gerechnet werde. Ich bin ja schon längst von den deutschen Theologen und Philosophen ‚widerlegt‘, d.h. auf Deutsch geistig totgeschlagen;...Ich bezeuge Ihnen zugleich unter der Versicherung meiner Verehrung mit dem einzigen privilegierten und authentischen Lebensorgan und Lebenszeichen, der Feder, dass ich mich noch schreibe: L. Feuerbach.

Meine Damen und Herren! Ich hoffe meine Vorstellung seiner Vorlesungen hat Ihnen deutlich gemacht, dass Feuerbach bis zum heutigen Tag geistig nicht totgeschlagen ist, und dass eine Reihe seiner Gedanken auch heute noch hochaktuell ist.

Anmerkung:
(1) In den biographischen Angaben folge ich der rororo-Bildmonographie Ludwig Feuerbach von Hans-Martin Sass, Reinbek 1978, 4. Aufl. 1994

Joachim Goetz
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